Zum Hauptinhalt springen

Digitale Unterstützung für die kommunale Wärmeplanung in Niedersachsen

Forscher der HAWK entwickeln Kartentool zur vereinfachten Planung von Wärmequartieren in niedersächsischen Gemeinden

Das Anfang 2024 in Kraft getretene Wärmeplanungsgesetz verpflichtet die Kommunen in Deutschland dazu, innerhalb weniger Jahre eine lokale Wärmeplanung auf die Beine zu stellen. Damit soll etwa Bürger:innen die Entscheidung erleichtert werden, auf welche Weise sie zukünftig ihr Eigenheim klimaneutral heizen möchten. Für die Gemeinden ist dieser Planungsprozess durchaus herausfordernd: Sie müssen eine Vielzahl an komplexen Daten zusammentragen, auswerten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse planerisch umsetzen. In einem vom EFZN geförderten Projekt haben Forscher der HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen ein Online-Kartentool entwickelt, das bei dieser Aufgabe unterstützen kann.

Baut jemand hier ein Nahwärmenetz? Oder nehme ich eine Wärmepumpe? Muss ich dazu nicht erst energetisch sanieren? Oder soll ich lieber doch nochmal eine Gastherme einbauen?

Viele Bürger:innen, bei denen ein Heizungstausch im Eigenheim ansteht oder die auf eine klimaneutrale Heizlösung setzen möchten, dürften sich in letzter Zeit diese und ähnliche Fragen gestellt haben. Die kommunale Wärmeplanung soll hier Antworten liefern: Durch sie wird für jede Gemeinde ein umfassendes Konzept zur nachhaltigen und klimaneutralen Wärmeversorgung bereitgestellt, das für alle Klarheit darüber schafft, wie vor Ort in Zukunft am sinnvollsten geheizt werden kann.

Jede Kommune wärmt sich etwas anders

Die Herausforderung dabei: Jede Gemeinde hat andere Potenziale und örtliche Gegebenheiten für die Wärmeversorgung. Während es in einem Ort möglicherweise eine bestehende Tiefbohrung gibt, die als geothermische Wärmequelle für den Aufbau eines Nahwärmenetzes geeignet ist, steht im Nachbarort eine Fabrik, deren Abwärme zum Heizen eines nahegelegenen Wohngebiets verwendet werden kann. Selbst innerhalb einer Gemeinde kann durch diese örtliche Vielfalt die zukünftige Wärmeversorgung höchst unterschiedlich aussehen: So wird die Wärmeplanung für ein Neubaugebiet sicherlich deutlich anders ausfallen als für das nur wenige Straßen entfernt liegende Wohngebiet mit Gebäudebestand aus den 1970er Jahren. Dies führt dazu, dass verschiedene Bereiche ein- und derselben Gemeinde möglicherweise aus ganz unterschiedlichen Wärmequellen versorgt werden müssen. Nicht zuletzt um diese unterschiedlichen Gegebenheiten sinnvoll zu nutzen, werden Kommunen bei der Wärmeplanung zumeist in sogenannte Quartiere unterteilt – spezifisch festgelegte Bereiche, die zueinander passende Wärmequellen, Wärmeinfrastruktur und Wärmenutzer sinnvoll miteinander verbinden.

Daten als wichtige Grundlage für kommunale Wärmeplanung

Fest steht: Die Wärmeplanung ist eine komplexe Aufgabe, bei der viele verschiedene Daten und geographische Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Im Rahmen des vom EFZN geförderten Projekts „Entwicklung von Open Source Geodaten für die kommunale Wärmeplanung“, kurz KomWPlan, hat ein Team um Stefan Holler, Professor für Energie- und Umwelttechnik sowie Umweltmanagement an der HAWK Göttingen, daher ein kostenloses Online-Tool entwickelt, das diese Planung für Kommunen in Niedersachsen deutlich erleichtern soll.

Im webbasierten „HAWK Kompass für nachhaltige Wärmeversorgung“ können Planer:innen auf einer digitalen Karte wesentliche Informationen zur Wärmeplanung für ihre jeweilige Kommune recherchieren und mit diesen Informationen erste Planungsschritte durchführen. Die zugrundeliegenden Daten stammen aus einer Vielzahl von online frei verfügbaren, öffentlichen Quellen. Sie werden über das Tool bequem zusammengeführt und müssen nicht mühsam in dutzenden unterschiedlichen Datenbanken gesucht und manuell kombiniert werden.

Die Karte liefert so beispielsweise auf den Hektar genaue Basisinformationen zum Gebäudebestand, aber auch energetische Informationen, etwa zum aktuellen und prognostizierten Heizbedarf der Gebäude oder zum jeweiligen Potenzial für die Nutzung von Solarenergie. Auch mögliche Wärmequellen wie Fließgewässer, Abwärme aus Abwasser oder verarbeitenden Betrieben sowie Informationen zu geothermischen Gegebenheiten sind abrufbar.

Wärmequartiere mit wenigen Mausklicks planen

Um unter Berücksichtigung dieser vielfältigen Daten Quartiere festlegen zu können, bietet das Tool für Planer:innen die Möglichkeit, mit wenigen Klicks Quartiersgrenzen einzuzeichnen und anschließend wesentliche Informationen über die markierten Quartiere abzurufen. So lässt sich sofort ablesen, ob zum Beispiel die Abwärmemenge eines Gewerbebetriebs oder die Wärmeenergie aus einem naheliegenden Fluss ausreichen könnte, um ein bestimmtes Wohngebiet zu versorgen – ob sich hier also potentiell ein Nahwärmenetz lohnen würde.

Ziel des Entwicklerteams war es, die Datenlage für den niedersächsischen Wärmesektor deutlich zu verbessern, bestehende Datenquellen sinnvoll an einer Stelle zu bündeln und Rohdaten gezielt miteinander zu kombinieren. Insbesondere die energetischen Daten zum Gebäudebestand wurden durch Korrelation ganz unterschiedlicher Datenquellen, etwa auch durch Einbezug von Geo- und Wetterdaten, umfassend optimiert, um möglichst zuverlässige und realitätsnahe Planungen zu ermöglichen. In früheren Projekten gewonnene Erfahrungen mit wärmebezogenen (Geo-)daten konnten dabei genutzt werden.

Auf die Bedürfnisse von Kommunen zugeschnitten

Abdulraheem Salaymeh, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Energietechnik federführend dieses Tool entwickelt hat, erläutert, dass die Software sehr genau auf die Bedürfnisse von Kommunen angepasst wurde: „Wir hatten in der Vergangenheit viele Aufträge von Stadtwerken und von Kommunen für die Erstellung kleinerer Wärmepläne oder von Teilen umfassenderer Wärmepläne. Daher wusste ich ganz genau, womit den Planenden schnell geholfen werden kann. Durch die schnell durchführbare Unterteilung der Städte in Quartiere bietet das Tool die Möglichkeit, wesentliche Informationen für die Wärmeplanung der einzelnen Kommune innerhalb weniger Minuten zusammenstellen zu können.“

Die über das Tool ermittelten Informationen seien dabei natürlich keine abschließende Planung, sie lieferten jedoch in kurzer Zeit eine gute Ausgangsbasis für die weitere Ausarbeitung. In Zukunft würde das Team gerne den Funktionsumfang und auch den Nutzungskomfort des HAWK-Kompass weiter ausbauen, so Abdulraheem Salaymeh: „Ich bin sehr froh, dass wir im Rahmen der Projektfinanzierung zu diesem ersten Ergebnis gekommen sind und würde mich sehr freuen, durch eine entsprechende Finanzierung das Tool weiterentwickeln zu können.“ Ein weiterer Wunsch des Forschers ist es, mehr für die Wärmeplanung relevante Informationen überhaupt als gut aufbereitete, digitale Daten zur Verfügung zu haben: „Hier besteht noch Nachholbedarf, insbesondere im Bereich der Fernwärmenetze. Eine vernünftige Wärmeplanung ist letztlich nur möglich, wenn wir mit Hilfe einer soliden Datenbasis die realen Gegebenheiten möglichst genau abbilden können. Es wäre gut, auch durch gesetzliche Regelungen mehr Transparenz zu schaffen, um mehr allgemein verfügbare Daten für den Bereich Wärme zu haben.“

Für alle Interessierten verfügbar


Nach kurzer Registrierung kann der „HAWK Kompass für nachhaltige Wärmeversorgung“ kostenfrei von allen Interessierten genutzt werden. Mehr Informationen unter:

https://s-heatingcompass.hawk.de

 

 


Projektbeteiligte

Prof. Dr.-Ing. Stefan Holler ist Professor für Energie- und Umwelttechnik an der Fakultät Ressourcenmanagement der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen und Leiter des Fachgebietes Nachhaltige Energie- und Umwelttechnik (NEUTec). Im HAWK-Forschungsschwerpunkt „Green Engineering und Ökosystem“ arbeitet er an der Transformation von Energiesystemen mit dem Fokus einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Er besitzt eine langjährige Erfahrung in der Projektleitung von geförderten Forschungsprojekten mit nationalen und internationalen Projektpartnern.

Abdulraheem Salaymeh, M.Eng., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter im Bereich Energietechnik an der Fakultät Ressourcenmanagement der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung von nachhaltigen Wärmeversorgungskonzepten zum klimaneutralen Gebäudebestand. In seinem Forschungsschwerpunkt widmet er sich in erster Linie der Erarbeitung von Ansätzen und Tools zur Durchführung räumlich hochaufgelöster Energieanalysen auf Basis von frei verfügbaren Big Data sowie der Durchführung von energetischen Simulationen für Gebäude, Wärmenetze und Erzeugungsanlagen.

Dr.-Ing. Fabian Gievers ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Fakultät Ressourcenmanagement der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Er befasst sich derzeit mit der ökologischen Bewertung von unterschiedlichen Nutzungspfaden für (Abfall)-Biomassen und Emissionsminderungspotentialen von Wärmeversorgungssystemen in mehreren öffentlich geförderten Forschungsprojekten. Zusätzlich kann er auf eine langjährige Expertise in der Bearbeitung der Industrieforschung für verschiedene Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Biomassenutzung, Ökobilanzierung, Carbon Footprint, Kohlenstoffsequestrierung und thermochemischen Verfahrenstechnik zurückgreifen.

Bilal El Haj hat im Rahmen des Projekts als studentische Hilfskraft maßgeblich zur Programmierung des webbasierten Tools beigetragen.

Marvin Schöneich hat im Rahmen des Projekts als studentische Hilfskraft in der Abschätzung von Potenzialen der industriellen Abwärme maßgeblich mitgearbeitet.