Reallabor 70 GW Offshore Wind
In der Nordsee soll in den nächsten Jahren durch einen umfangreichen Ausbau der Offshore-Windenergie das größte Kraftwerk für erneuerbare Energien entwickelt werden. Neben technischen und planerischen Herausforderungen müssen auch Fragen der nachhaltigen maritimen Raumnutzung und der marinen Folgewirkung sowie die gesellschaftlichen und strukturellen Veränderungen in den Küstenregionen mit berücksichtigt werden. Diesen Prozess begleiten wir mit dem Reallabor in den nächsten fünf Jahren.
Das Projekt Reallabor 70 GW Offshore Wind wurde beantragt durch die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und die Leibniz Universität Hannover als Mitglieder von ForWind - Zentrum für Windenergieforschung. Die Durchführung findet gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme, dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen an der Georg-August-Universität, dem Helmholtz-Zentrum Hereon und der Technische Universität Braunschweig statt.
Das Sprecher:innenteam besteht aus Prof. Dr. Kerstin Avila (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) und Prof. Dr.-Ing. habil. Torsten Schlurmann (Leibniz Universität Hannover). Koordinator ist Dr. Stephan Barth (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg/ForWind).
Ziele, Methoden und Innovationsbereiche
Motivation und Forschungsansatz
Mit einer geplanten installierten Leistung von über 300 GW wird die Offshore-Windenergie in der Nordsee in Zukunft maßgeblich zur Energieversorgung Europas beitragen. Deutschland will bis 2045 mit 70 GW zu diesem Ziel beitragen. Um dieses Ziel zu erreichen müssen technische Innovationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette entwickelt werden.
Im Reallabor 70 GW Offshore Wind soll eine ganzheitliche sozio-technische Betrachtung des bis 2045 vorgesehenen Ausbaus der Windenergie in der deutschen Nordsee durchgeführt werden. Grundlagen und Bausteine möglicher Entwicklungspfade zum Erreichen der 70 GW Offshore-Leistung sollen erarbeitet und in Handlungsempfehlungen überführt werden. Die technischen Innovationen werden im Schulterschluss mit der Windbranche als Stellschraube für einen nachhaltigen Ausbau eingesetzt.
Das Reallabor arbeitet an realweltlichen Problemstellungen, die transdisziplinär mit außerwissenschaftlichen Akteur:innen entwickelt, bearbeitet und bewertet werden. Dieser Ansatz bringt Forschende, Behörden, zivilgesellschaftliche Gruppen, Industrieunternehmen, Medienvertreter und weitere Stakeholder zusammen.
Innovationsbereiche
Name | Forschungsfragen |
I. Gesellschaft | Konfliktpotenziale, Chancen und Gelingensbedingungen des geplanten Offshore-Ausbaus. Lösungsorientierte Beteiligungsprozesse und techno-ökonomische Fragestellungen. |
II. Marine Raumplanung | Analyse unterschiedlicher Ausbaustrategien in der Deutschen Bucht anhand von mesoskaligen Modellen und Vorbereitung einer nachhaltigen maritimen Raumordnung. |
III. Life-Cycle Management von Turbinen | Analyse der Alterung bestehender Anlagen sowie die Verbesserung des Ermüdungsverhaltens und der Lebensdauern von Turbinen und Windparks. |
IV. Systemintegration und Aerodynamik | Windparkregelung, die auf Kürzestfristleistungsprognosen basiert, und Planung und Integration noch größerer Turbinen für den On- und Offshore-Bereich. |
V. Marine Folgen | Erhebung belastbarer Felddaten zum Einfluss des Offshore-Windenergieausbaus auf meeresphysikalische Prozesse. Bewertung von Auswirkungen auf die marine Umwelt. Strategien und Empfehlungen für die Erfassung und Reduzierung dieser Auswirkungen. |
Innovationsbereich I - Gesellschaftswissenschaftliche und ökonomische Fragen des Ausbaus der Offshore-Windenergie
Die mit hohem Zeitdruck angestrebten Ausbauziele der Offshore- Windenergie werfen ökonomische und gesellschaftliche Fragen auf, ohne deren Klärung der Erfolg dieses elementaren Transformationsprojekts der Energiewende in Frage steht.
Innovationsbereich II - Nachhaltige maritime Raumplanung und -nutzung der Deutschen Bucht
Die anvisierte installierte Windleistung in der Deutschen Bucht führt auf Grund der begrenzten Fläche zu den am dichtesten bebauten Windparkflächen weltweit. Es sollen daher Modelle zur nachhaltigen Raum- und Flächenplanung im Hinblick auf Co-Nutzung weiterentwickelt und validiert werden.
Innovationsbereich III - Life-Cycle-Management von Offshore-Windenergieanlagen und Windparks
Die kontinuierliche Verfügbarkeit von mindestens 70 GW installierter Nennleistung, auch in Phasen der Stilllegung und des Repowerings älterer Windparks, sind entscheidend mit Fragen des Betriebs und eines koordinierten Planungsprozesses verbunden.
Innovationsbereich IV - Systemdienliche Integration und Aerodynamik von Offshore Windenergieanlagen und -parks
Neben der Quantität wird zunehmend die Qualität der eingespeisten Windenergie wichtiger. Gleichzeit ergeben sich durch das rasante Größenwachstum der Windenergieanlagen und die Verdichtung der Windparkcluster stark veränderte Anströmbedingungen, die neuartige Betriebs- und Regelungsstrategien erfordern.
Innovationsbereich V - Marine Belastungsgrenzen und kumulierte ökologische Folgewirkungen
Der erhebliche Ausbau der Offshore-Windenergie-Kapazität wird aufgrund potenzieller Auswirkungen auf die Umwelt zunehmend kritisch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung hinterfragt. Das Fehlen einer qualitätsgesicherten Datengrundlage und das fehlende Verständnis für standortspezifische Faktoren erschweren allerdings die Beurteilung von Umweltauswirkungen.