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Strategien zur Wärmewende: Sektorenkopplung und Steigerung der Energieeffizienz

08. Dialogplattform Power-to-Heat am 15. Dezember 2022, 13-19 Uhr, als Online-Veranstaltung

Begrüßten die Teilnehmenden in diesem Jahr online: die wissenschaftlichen Tagungsleiter Dr.-Ing. Martin Kleimaier (VDE/ETG) und Dr.-Ing. Jens zum Hingst (CUTEC und EFZN) (von links).


Veranstaltungsort ist traditionell die Niedersächsische Landesvertretung, Berlin.

Tagungsbericht von Dr.-Ing. Martin Kleimaier, VDE/ETG

Strategien zur Wärmewende, Sektorenkopplung und Steigerung der Energieeffizienz war das Thema der 8. Dialogplattform Power-to-Heat, die am 15. Dezember stattgefunden hat. Die ursprünglich als zweitägige Präsenzveranstaltung in der Niedersächsischen Landesvertretung beim Bund in Berlin geplante Dialogplattform musste jedoch auf Grund der aktuellen Rahmenbedingungen bedauerlicherweise kurzfristig wieder in ein Online-Format abgeändert werden. Wie der Name der Veranstaltung ja bereits erkennen lässt, soll bei dieser Veranstaltungsreihe eigentlich der Dialog der Teilnehmer im Vordergrund stehen. In der Vergangenheit, als wir noch in Präsenz tagen konnten, wurde der Gedankenaustausch an den Postern und in den Pausen immer sehr gut angenommen. Daher wurde auch bei dem Online-Format wieder darauf geachtet, dass für die Fragen und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer ausreichend Zeit eingeplant wurde.

Der Programmausschuss (Dr.-Ing. Jens zum Hingst, CUTEC Forschungszentrum der TU Clausthal und Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN), Frank Mattioli, EFZN, und Dr.-Ing. Martin Kleimaier (Energietechnische Gesellschaft im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE ETG)) konnte aus den eingereichten Beiträgen wieder ein interessantes Programm zusammenstellen.

Mehr als 180 Teilnehmer:innen hatten sich zu der auch in diesem Jahr wieder kostenfrei angebotenen Veranstaltung angemeldet – darunter auch wieder viele Personen, die uns bei der Dialogplattform Power-to-Heat seit vielen Jahren die Treue halten. Dies bestätigt, dass das Thema Wärmewende – und dabei insbesondere die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen – inzwischen entsprechend der Dringlichkeit und des großen Hebels der Defossilisierung des Wärmesektors wahrgenommen wird. Aufgrund der kriegsbedingt eingeschränkten bzw. unterbrochenen Erdgaslieferungen aus Russland, hat der kurzfristige Ersatz von Erdgas durch andere, insbesondere strombasierte Wärmetechnologien, aktuell zusätzlich noch eine besondere Bedeutung bekommen, die so in der Vergangenheit in keinster Weise absehbar war. Betrug in 2021 der Strompreis für Haushaltskunden etwa das Fünffache des Erdgaspreises, so ist es jetzt auf deutlich höherem Niveau „nur noch“ etwa das 2,5-fache – prinzipiell also vorteilhafter für Stromwärme-Anwendungen (Power-to-Heat). Allerdings fehlen auf absehbare Zeit noch ausreichende Strom-Einspeisungen aus erneuerbaren Quellen, die eine Voraussetzung für die Erreichung der Klimaziele darstellen. Die krisenbedingte Einbeziehung der Nutzung von Strom aus Kohlekraftwerken kann daher nur als zeitlich eingeschränkte Maßnahme zur Überbrückung gesehen werden, bis die Erneuerbaren Energien ausgebaut sind. Mit den bereits im Koalitionsvertrag vorgegebenen Ausbauzielen, ergänzt durch die Präzisierungen im Oster- bzw. Sommerpaket 2022, sollten wir jedoch auf dem richtigen Weg sein.

Vorträge

Hervorzuheben sind Tagungs-Beiträge, die nun auch Optionen zur Bereitstellung von elektrischer Prozesswärme bei höheren Temperaturen thematisiert haben. Dies sind einerseits Hochtemperatur-Wärmepumpen, sowohl für den Einsatz in der Fernwärmeversorgung aber auch zur Erschließung von Temperaturen bis 300 °C. Des Weiteren wurde auch noch eine neue Technologie vorgestellt, mit der sich Gase mit Hilfe von Induktionsheizern auf Temperaturen von über 1000 °C erhitzen lassen.

Vorgestellt wurde auch ein möglicher Transformationspfad, der die aktuell noch sehr begrenzten „Überschussmengen“ an EE-Strom in hybriden Wärmesystemen dargebotsabhängig nutzen kann: also Power-to-Heat bei EE-Überschüssen in Kombination mit den vorhandenen konventionell fossil-gefeuerten Wärmeerzeugern in Zeiten mit EE-Mangel. Dies wäre z.B. für eine Nutzung im Bereich industrieller Prozesswärme für die Bereitstellung von Prozessdampf und Warmwasser sinnvoll, da sich dort beide Systeme relativ einfach und kostengünstig kombinieren lassen. Aufgrund der niedrigen Investitionskosten für PtH-Systeme können diese auch mit aktuell noch kurzen Einsatzdauern während der beschränkten Zeiten mit EE-Überschüssen zum Einsatz kommen. Die regulatorischen Rahmenbedingungen, insbesondere die Struktur der Netzentgelte, wurden jedoch als Hindernis für eine breite Einführung genannt: kurzzeitige höhere Lastspitzen durch den Einsatz von PtH führen einerseits zu höheren Netzentgelten, andererseits profitieren aktuell nur sehr hohe Volllaststunden (> 7000 h) von reduzierten Netzentgelten. Obwohl mit derartigen flexiblen PtH-Systemen auch ein netzdienlicher Betrieb möglich wäre, wird dies aktuell nicht honoriert. Auch im Wohnungs-Sektor könnten hybride Wärmeerzeuger für Heizung und Warmwasser zum Einsatz kommen, wie bereits auf der 7. Dialogplattform in 2021 berichtet wurde. Aber auch dort fehlen immer noch die wirtschaftlichen Anreize durch zeitvariable Tarife, z.B. günstigere Strompreise für PtH für die Dauer von ausreichendem EE-Dargebot.

In einem weiteren Beitrag wurden Simulationen für ein wärmepumpenbeheiztes Einfamilienhaus in Kombination mit einer PV-Anlage vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass Wärmespeicher im Vergleich zu Batteriespeichern zu Kostenvorteilen führen.

Das Interesse der Teilnehmer war bei allen Vorträgen sehr hoch. Dies wurde insbesondere durch die Fragen und Kommentare im Chat bestätigt. Die Antworten wurden von den Referenten entweder direkt gegeben oder auch wieder im Chat nachgereicht. Auch zwischen den Teilnehmenden hat im Chat ein reger Gedankenaustausch stattgefunden.

Die freigegebenen Präsentationsfolien finden Sie auf der Internetseite des VDE/ETG >

Podiumsdiskussion

Die wieder mit Spannung erwartete Podiumsdiskussion wurde gekonnt moderiert von Lis Blume (Niedersächsisches Wasserstoff-Netzwerk). Teilnehmer waren diesmal Frau Dr. Ingrid Nestle (MdB, Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, stellvertretende Vorsitzende im Beirat der Bundesnetzagentur), Dr. Andreas Hauer (Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung e. V. (ZAE Bayern), Dr. Tobias Fleiter (Fraunhofer ISI, Leiter des Geschäftsfelds Nachfrageanalysen und –projektionen) und Dr. Martin Kleimaier (VDE ETG, Leiter des Fachbereichs „Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie“).

Auch im Rahmen der Podiumsdiskussion wurde sowohl zwischen den Referenten als auch mit den Teilnehmer:innen nochmals lebhaft diskutiert.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen dabei die regulatorischen und wirtschaftlichen Hemmnisse, die eine kostendeckende Anwendung häufig erschweren bzw. unmöglich machen, obwohl viele der bereits einsetzbaren Optionen technische Vorteile bieten können. Auch die Entwicklung von neuen Technologien zum Ersatz fossiler Energieträger für die Bereitstellung von Hochtemperatur-Prozesswärme erfährt durch diese Hemmnisse keinen ausreichenden Anschub. Im Privatkundensegment fehlen immer noch Preisdifferenzierungen entsprechend dem aktuellen EE-Dargebot, obwohl diese an den Strombörsen deutlich ausgeprägt sind. Daher wurde ein Umsteuern bei der Struktur der Netzentgelte angemahnt, damit die dringend benötigten und volkswirtschaftlich wichtigen Optionen auch angereizt und kostendeckend umgesetzt werden können.

Des Weiteren wurde über das notwendige Umdenken hinsichtlich eines künftigen Energiesystems mit zentralen und dezentralen Strukturen diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde auch der im ETG/ITG Fachausschuss V2.4 „Zellulare Energiesysteme“ verfolgte Ansatz angesprochen, der als eine sinnvolle Option für die Versorgung von größeren Objekten oder Quartieren mit Strom und Wärme angesehen wurde. Dabei wurde auch verdeutlicht, dass das zellulare Konzept nicht mit einer energetischen Autarkie dieser Zellen gleichzusetzen ist, da eine regionale autarke Energieversorgung einzelner Zellen nicht das Ziel sein kann. Allein aus solidarischen Gründen sind hier weitere Überlegungen zum Zusammenspiel benachbarter Zellen im Gesamtsystem notwendig. In diesem Kontext wurde auch über die Notwendigkeit, Chancen und Risiken von regionalen bzw. lokalen Preissignalen diskutiert, die sowohl für Investitionen in dezentrale Erzeugungs- und Speicheroptionen als auch für die Kunden als Anreiz gesehen werden können.

Aufgrund der drastischen Kostensteigerungen bei der Wärmeversorgung sollten auch Szenarien und Optionen, die in der Vergangenheit aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit verworfen wurden, nochmals überprüft und ggf. weiterentwickelt werden. Hierzu zählt neben einer verstärkten Nutzung von industrieller Abwärme für die eigene Versorgung – z.B. durch den Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen – auch die Versorgung von benachbarten Wohnquartieren. War bisher der Wärmetransport auf sehr geringe Distanzen begrenzt, sollte man auch hier die Wirtschaftlichkeit von längeren Transportwegen überprüfen. Auch mit neuartigen Wärmespeicher-Konzepten (z.B. mobile Latentwärmespeicher) könnte die Abwärme zu einem entfernteren Nutzungsort gebracht werden.

In der Diskussion wurde zudem verdeutlicht, dass bei echter Technologieoffenheit der Einsatz von Wasserstoff in der Gebäudebeheizung – wenn überhaupt – nur eine Option von vielen sein kann.

Fazit

Die 8. Dialogplattform wird damit – trotz des Online-Formats – sowohl von den Teilnehmern als auch von den Veranstaltern wieder als voller Erfolg gesehen. Daher soll es auch eine Neuauflage einer Veranstaltung zu diesem Themenkomplex geben. In welcher Form und zu welchem genauen Zeitpunkt die 9. Dialogplattform stattfinden wird – dann hoffentlich wieder mit persönlichen Gesprächen – soll Anfang 2023 entschieden werden.

 

Kontakt:

Dr.-Ing. Martin Kleimaier

Energietechnische Gesellschaft im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE ETG)

E-Mail: etg@vde.com